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Auf dieser Seite beschäftigen wir uns mit zentralen Begrifflichkeiten aus dem KoopLab-Kontext

Was macht ein Ankunftsquartier aus?

Ankunftsquartiere sind hochgradig dynamische Gebiete einer Stadt, die im innerstädtischen Vergleich in besonderer Weise durch (temporäre) internationale Migration, einem hohen Anteil ausländischer Bewohnerschaft sowie einer hohen Bevölkerungsfluktuation geprägt sind. Es sind die Quartiere, die im Vergleich zu anderen Stadtteilen meist einen hohen Anteil an niedrigpreisigem und/oder leicht zugänglichem Wohnraum bieten. Ankunftsquartiere haben unterschiedliche „Gesichter“, sie unterscheiden sich unter anderem bezüglich ihrer Lage im Stadtraum, ihrer Baustruktur, ihrer sozioökonomischen Zusammensetzung sowie der Ausstattung mit ankunftsbezogenen Infrastrukturen (z.B. Geschäfte, Vereine und Organisationen, religiöse Stätten) – und somit auch in ihrer Funktion mit Blick auf individuelle Teilhabe und sozialen Zusammenhalt.

So sind „traditionelle“ innerstädtischen Ankunftsquartieren von einer besonders heterogenen Bevölkerungszusammensetzung geprägt und verfügen über eine hohe Dichte an ankunftsbezogenen Infrastrukturen. Diese Infrastrukturen (Übersetzungsdienstleistungen, Sprachkurse, Kioske etc.) stellen neben ihrer Versorgungsfunktion auch wichtige Kontaktorte dar und können die Teilhabe neuer Bewohner_innen am gesellschaftlichen Leben fördern. Ebenso lassen sich „neue“ Ankunftsquartiere beobachten, die nur über wenige ankunftsbezogene Infrastrukturen verfügen und die z.B. durch Zuwanderung in Großwohnsiedlungen am Stadtrand entstehen oder außerhalb von Metropolen Wohnraum für Saisonarbeitende bieten. Darüber hinaus verändern sich Ankunftsquartiere je nach lokaler Governance und regionalen Rahmbedingungen: Gerade innerstädtische Ankunftsquartiere in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt sind häufig von Aufwertung und damit auch Verdrängung ressourcenschwächerer Haushalte betroffen.

 

 Zum Weiterlesen:

Hans, N.; Hanhörster, H.; Polívka, J.; Beißwenger, S. (2019): Die Rolle von Ankunftsräumen für die Integration Zugewanderter. Eine kritische Diskussion des Forschungsstandes, Raumforschung und Raumordnung 77(5), 511–524. https://sciendo.com/article/10.2478/rara-2019-0019

In diesem open access-Artikel setzen sich Nils Hans, Heike Hanhörster et al. mit der defizitorientierten Betrachtungsweise von Forschungen zu Kontexteffekten in Ankunftsräumen auseinander, sowie mit den spezifischen Charakteristika dieser Räume. Dabei zeigen die Autor*innen drei aktuelle Dynamiken auf, welche die Ressourcenzugänge von Bewohner*innen in Ankunftsräumen beeinflussen. Sie plädieren dafür die Alltagspraktiken von Zugewanderten gezielter in den Blick zu nehmen und Integration über enge Quartiersgrenzen hinaus zu betrachten.

Hanhörster, H.; Hans, N. (2019): Zusammenhalt im Kontext von Diversität und Fluktuation? Zur besonderen Rolle von Ankunftsquartieren (ILS-Working Paper 1), Dortmund. https://www.kooplab.de/wordpress/wp-content/uploads/KoopLab_Zusammenhalt_in_Ankunftsquartieren_ILS_Working_Paper.pdf

Befunde zwischen den Wechselwirkungen zwischen Diversität und Fluktuation in den städtischen Kontexten und dem sozialen Zusammenhalt sind bislang sehr widersprüchlich. Durch die Aufbereitung des internationalen Forschungsstands erläutern die Autor*innen Heike Hanhörster und Nils Hans in diesem Paper welche Potenziale und Herausforderungen das Leben in Ankunftsquartieren für den sozialen Zusammenhalt bietet.

Hanhörster, H., & Wessendorf, S. (2020). The Role of Arrival Areas for Migrant Integration and Resource Access. Urban Planning, 5(3), 1–10. https://www.cogitatiopress.com/urbanplanning/article/view/2891

Das Paper betrachtet die Funktion von Ankunftsgebieten für Ressourcenzugänge von Migrant*innen. Es beschreibt, mit einem besonderen Blick auf ankunftsspezifische Infrastrukturen, wie solche Gebiete Neuzugewanderte mit spezifischen Ankunftsressourcen versorgen und sie im Ankommensprozess unterstützen können. Der Artikel argumentiert, dass das Verständnis der Dynamiken städtischer Ankunftsgebiete und deren Infrastrukturen helfen kann, die Rolle von Politik und Stadtplanung mit Blick auf die Integration in zunehmend komplexen und mobilen Stadtgesellschaften neu zu überdenken.

Hans, N.; Hanhörster, H., (2020): Accessing Resources in Arrival Neighbourhoods: How Foci-Aided Encounters Offer Resources to Newcomers, Urban Planning 5(3), 78–88. https://www.cogitatiopress.com/urbanplanning/article/view/2977  

Der Artikel legt den Fokus auf Neuzugewanderte in Ankunftsquartieren, die nach ihrer Ankunft über wenige lokal verankerte Netzwerkkontakte verfügen und analysiert, wie sie in ihrem Alltag auf ankunftsspezifische Ressourcen zurückgreifen. Die Forschung stellt dar, wie und in welchen Settings routinierte und spontane ortsgebundene Begegnungen zu einem Austausch von Ankunftswissen beitragen können.

Haase, A., Schmidt, A., Rink, D., Kabisch, S. (2020). Leipzig’s Inner East as an Arrival Space? Exploring the Trajectory of a Diversifying Neighbourhood. Urban Planning, 5(3), 89–102. https://www.cogitatiopress.com/urbanplanning/article/view/2902

Das Paper analysiert und diskutiert die Entwicklung Leipzigs und insbesondere des inneren Ostens als urbaner Ankunftsraum seit 1990. Der Artikel stellt eine Studie über Ankommensprozesse in einem postsozialistischen Kontext dar, was in der internationalen Debatte bisher eher selten ist, da die meisten Ankunftsdebatten auf westeuropäischen Erkenntnissen aufbauen. Der Artikel verweist darauf, dass die Ankunftsfunktion eines Stadtgebiets stark von Faktoren wie der Bevölkerungs-, Wohnungs- und Immobilienmarktentwicklung sowie der lokalen Politik abhängt.

Ein transdisziplinärer Forschungsansatz

Das Konzept des Reallabors steht zwischen einer natur- und sozialwissenschaftlich ausgerichteten Forschung und ist im deutschsprachigen Kontext seit einigen Jahren populär. Es wendet den naturwissenschaftlichen Labor-Begriff auf die Analyse sozialer Prozesse an. Damit ist das Ziel verbunden, nachhaltige, transformative Lösungen für ‚realweltliche’ Probleme in konkreten gesellschaftlichen Settings zu finden und zu erproben. In Reallaboren kooperieren Wissenschaftler*innen mit Bürger*innen und Praxisakteuren aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Gemeinsam entwickeln sie Forschungsfragen, gestalten den Forschungsprozess und erproben Lösungen. Forschung in Reallaboren beobachtet nicht nur den sozial-ökologischen Wandel, sondern trägt aktiv dazu bei.

Reallabore in „Ankunftsquartieren“

Reallabore sind für sogenannte Ankunftsquartiere von besonderer Relevanz, denn sie verlangen das Einbeziehen marginalisierter Akteure und Interessen. So werden neue Maßnahmen und Ideen für eine verbesserte Teilhabe zusammen mit Quartiersbewohner*innen bedürfnisorientiert entwickelt und direkt erprobt. Auf diese Weise sollen Reallabore Hinweise für die politische, planerische und gesellschaftliche Gestaltung von Prozessen des Ankommens liefern.

 Unser Verständnis von Reallaboren

Im Projekt KoopLab verstehen wir Reallabore einerseits als physisch-materielle Orte, die kollaborativ genutzt und gestaltet werden (z.B. urbane Freiräume). Zum anderen sind Reallabore für uns Foren des Treffens, der Artikulation und des Aushandelns von unterschiedlichen Interessen im Stadtraum. Im Projekt wurde u. a. der Frage nachgegangen, welche Rolle Macht, Positioniertheit und Hierarchien in der kollaborativen Wissensproduktion zwischen Wissenschaft, Kommunen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft spielen (Räuchle/Schmiz 2020). Weitere Fragen, die wir im Projekt aufgeworfen haben, sind:

  • Welche Rolle übernimmt Wissenschaft in Reallaborprozessen? Wie kann eine kontinuierliche Reflexion dieser (Mehrfach-)Rollen sichergestellt werden?
  • Können Ergebnisse der Reallabore auf andere Kontexte übertragen werden? Wird die jeweilige Spezifik des Kontextes ausreichend beachtet?
  • Welchen besonderen Herausforderungen begegnen Reallabore in Ankunftsquartieren?

 

Zum Weiterlesen:

Räuchle, C., & Schmiz, A. (2020). Wissen Macht Stadt: Wie in Reallaboren Stadt verhandelt und Wissen produziert wird. sub\urban. Zeitschrift für Kritische Stadtforschung, 8(3), 31-52. https://doi.org/10.36900/suburban.v8i3.541

Der Text beleuchtet auf Basis der empirischen Forschung im Projekt KoopLab aus der Perspektive der kritischen Stadtforschung, mit welchen theoretischen Vorannahmen, in welchen Machtkonstellationen und mit welchen Zielsetzungen Wissen in Reallaboren produziert wird. Diese Fragen werden mit den Debatten um eine kritische Wissensproduktion und die Gerechte Stadt verknüpft. Der Artikel zeigt auf, dass Reallabore zwar stark in bestimmten förderpolitischen Strukturen verhaftet sind und damit die Gefahr der politischen Vereinnahmung besteht, sich aber dennoch Chancen eröffnen, mit ihnen zu einer kritischen Wissensproduktion und einer gerechten Stadtentwicklung beizutragen.

Parodi, Oliver, Richard Beecroft, Marius Albiez, Alexandra Quint, Andreas Seebacher, Kaidi Tamm und Colette Waitz (2016): Von „Aktionsforschung“ bis „Zielkonflikte“. Schlüsselbegriffe der Reallaborforschung. In: Technologiefolgenabschätzung – Theorie und Praxis 25 (3): 9-18.

Das Glossar bietet einen systematischen, fokussierten Überblick über Konzepte und Begriffe, die für die Reallabor-Forschung wichtig sind. Damit bietet sich nicht nur die Möglichkeit eines schnellen Einstiegs in das Konzept selbst. Vielmehr gelingt es mit dem Glossar auch, die Spezifik von Reallaboren im Vergleich zu verwandten Methoden zu verstehen und Reallabore im Verhältnis zu wissenschaftlichen Paradigmen wie Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung einordnen zu können.

Schäpke, Niko, Franziska Stelzer, Matthias Bergmann, Mandy Singer-Brodowski, Matthias Wanner, Guido Caniglia und Daniel J. Lang (2017): Reallabore im Kontext transformativer Forschung. Ansatzpunkte zur Konzeption und Einbettung in den internationalen Forschungsstand (= IETRS Discussion Papers 1/2017). Leuphana Universität Lüneburg. http://www.isoe.de/uploads/media/Schaepke-et-al-2017.pdf

Das Discussion Paper bietet einen umfassenden Einblick in den aktuellen Stand der Reallabor-Forschung. Dabei werden nicht nur Charakteristika von Reallaboren systematisch herausgearbeitet, sondern sie werden auch mit vergleichbaren methodischen Ansätzen in Beziehung gesetzt. Damit trägt das Paper wesentlich zu einer Schärfung des Reallabor-Konzepts bei.

Wagner, Felix und Armin Grunwald (2015): Reallabore als Forschungs- und Transformationsinstrument. Die Quadratur des hermeneutischen Zirkels. Ökologische Perspektiven für Wissenschaft und Gesellschaft 24 (1): S. 26-31.

Der Artikel bietet eine konzentrierte Einführung in das Instrument des Reallabors, benennt seine Potentiale, Herausforderungen und offene Fragen für die transformative Forschung. Deutlich wird, dass Reallabore bisher besonders für Nachhaltigkeitsforschung angewendet werden und als „Hybride“ zwischen Wissenschaft und Gesellschaft stehen.

Als „Freiräume“ in der Stadt werden alle Räume bezeichnet, die nicht mit Gebäuden besetzt sind, generell öffentlich zugänglich sind und der Stadtbevölkerung dauerhaft bzw. temporär für verschiedene Nutzungen zur Verfügung stehen. Dazu zählen beispielsweise Parkanlagen und Spielplätze aber auch Parkplätze, öffentliche Plätze, Wege, Sportanlagen, Gärten und Friedhöfe. Diese urbanen Freiräume erfüllen vielfältige sozial-ökologische Funktionen: Sie sind einerseits Orte für Freizeitgestaltung, Erholung und Begegnung. Andererseits verbessern Sie die Luftqualität und das Stadtklima und tragen als Lebensraum von Tieren und Pflanzen zur Biodiversität in der Stadt bei.

In Quartieren mit einer hohen Dichte von Bevölkerung und Gebäuden, kleineren Wohnungsgrößen oder geringen Aufenthaltsqualitäten im Umfeld der Wohnungen werden vorhandene Grün- und Freiflächen besonders intensiv genutzt. Dennoch weisen Grünanlagen dort im Vergleich zu weniger dichten Stadtteilen oftmals eine geringere Qualität und Größe auf. Außerdem treten negative Umwelteinflüsse, wie z.B. Schadstoff- und Lärmbelastung durch Verkehr, verstärkt in solchen Gebieten auf. Dies wird als sozial-ökologische Ungleichheit bezeichnet. Innerhalb der Stadtplanung und -forschung wird damit Aufmerksamkeit geschaffen für

  • die Verknüpfung von sozialen und ökologischen Problemlagen,
  • die ungleiche Verteilung von Umweltbelastungen sowie die ungleiche Verteilung von/
    Zugänglichkeit zu Umweltressourcen und
  • Zielkonflikte zwischen sozialen und ökologischen Entwicklungen auf Stadt- und

Ein Blick auf die sozial-ökologischen Problemlagen einer Stadt zeigt die Verknüpfungen von klassischen Umweltproblemen, sozialen Problemen sowie ökologischen und sozialen Folgeproblemen wie eine verstärkte soziale Segregation durch Begrünung oder eine stärkere Belastung ärmerer Haushalte durch ungesunde Umweltbedingungen. Im Blickpunkt stehen dabei nicht die einzelnen sozialen oder ökologischen Probleme, sondern v.a. ihr Zusammenwirken. Neue Debatten zu „grüner“ oder „ökologischer“ Gentrifizierung oder zur Sozialverträglichkeit einer ökologisch nachhaltigen bzw. grünen Stadt setzen sich darüber hinaus kritisch mit Zielkonflikten sozialer und ökologischer Herausforderungen und deren ökonomischer und politischer Rahmung auseinander, etwa im Kontext der Begrünung als Teil von Aufwertungsstrategien in Städten und Stadtquartieren, die etwa zur Verdrängung ärmerer Bewohner*innen führen kann oder einer energetischen Sanierung, welche das Wohnen verteuert.

Umweltgerechtigkeit: die Verteilung von Ressourcen, Teilhabechancen und Anerkennung im Fokus

Umweltgerechtigkeit erfasst die (ungleiche) Verteilung, Zugänglichkeit und Qualität von umweltbezogenen Gütern und Belastungen, etwa von Grünflächen und Erholungsräumen auf die Stadtgebiete oder eine höhere Belastung mit Lärm und Schadstoffen in bestimmten Wohnlagen. Der Begriff bezieht zudem die Verteilung von, den Zugang zu sowie die Chancengleichheit in der Aneignung von Grünflächen durch verschiedene Bevölkerungsgruppen (im Sinne einer Nutzung entsprechend der eigenen Bedürfnisse bei einem möglichen Ausschluss anderer) ein. Darüber hinaus betrachtet Umweltgerechtigkeit auch Teilhabechancen an der Gestaltung von grünen Freiräumen und umweltbezogenen Gütern sowie den Grad der (Nicht-)Anerkennung und (Nicht-)Einbeziehung unterschiedlicher Werte, Normen, Vorstellungen und Wissensbestände. Das Konzept ist explizit mehrdimensional (schließt Verteilungs-, Prozess-, Anerkennungs- und interaktionale Gerechtigkeit ein) und betrachtet auch das Zusammenwirken bzw. Wechselwirkungen zwischen den Dimensionen.

 

Der Ansatz des Projekts KoopLab: Kooperative Freiraumentwicklung

Mit dem Projekt KoopLab setzen wir einen besonderen Fokus auf Ankunftsquartiere; diese sind häufig geprägt von einer hohen Bevölkerungs- und Baudichte sowie fehlender Freiraumqualität im Wohnumfeld. Das Projekt zielt darauf ab, die Bewohner*innen solcher Gebiete zu ermutigen, ihre Interessen und Bedürfnisse zu artikulieren, um die Freiraumqualität zu verbessern. Dabei sollen die Teilhabe insbesondere marginaler Bewohner*innen gestärkt und Ungleichheiten/Ungerechtigkeiten gedämpft bzw. abgebaut werden.

Wie Freiräume entwickelt, umgestaltet oder erneuert werden, verläuft in verschiedenen Städten und innerhalb von Städten sehr unterschiedlich. Eine Vielzahl von Faktoren, wie etwa Bevölkerungsentwicklung, Stadtentwicklungspolitiken, Eigentümerverhältnisse und wirtschaftlicher Wandel beeinflusst die Entwicklung von Freiräumen.

Bei einer kooperativen Entwicklung von Grün- und Freiräumen arbeiten zivilgesellschaftliche und politisch-administrative Akteure zusammen. Dabei versuchen sie verschiedene Bedürfnisse und Ideen einzubeziehen, um gemeinsam über zukünftige Gestaltungen und Nutzungen von Freiräumen zu entscheiden. An diesen kurz- oder langfristigen Prozessen beteiligen sich beispielsweise Stadtverwaltungen und -räte, Eigentümer*innen von Flächen, Vertreter*innen von Initiativen, gemeinnützige Organisationen und Vereinen sowie interessierte Privatpersonen, wie Bewohner*innen.

Kooperativ entwickelte Freiräume können einen positiven Beitrag zur sozialen und ökologischen Entwicklung von Quartieren leisten, indem sie die Wünsche und Vorstellungen der Bewohner*innen gleichberechtigt berücksichtigen und versuchen die Vielfalt der Nutzungen zusammenzubringen. Damit leistet kooperative Freiraumentwicklung einen wichtigen Beitrag dazu, die Teilhabe unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen an der Gestaltung ihrer Städte zu fördern.

 

Zum Weiterlesen:

Haase, A., Schmidt, A. (2021): Grüne Gentrifizierung. Eine neue Herausforderung für nachhaltige Stadtentwicklung. In: Glatter, J.; Mießner, M. (Hrsg.): Gentrifizierung. Aktuelle theoretische, methodische und politische Herausforderungen. transcript Verlag, Reihe Interdisziplinäre Wohnungsforschung, im Erscheinen.

Die Debatte zur grünen Gentrifizierung ist vergleichsweise jung, sie entstand ab Mitte der 2000er-Jahre mit Studien zur Verdrängung von einkommensarmer Bevölkerung durch »grüne Aufwertung« und damit verbundener Gentrifizierung von Wohnvierteln. Sie benennt Widersprüche zwischen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen und ist damit ein praktisches Beispiel für Zielkonflikte der Nachhaltigkeit. Darüber hinaus wird zunehmend diskutiert, wie vor allem in unterversorgten Quartieren eine qualitative und quantitative Verbesserung der grünen Infrastruktur erfolgen kann, ohne dass automatisch eine marktkonforme Aufwertungslogik in Gang kommt. Damit repräsentiert die Debatte zur grünen Gentrifizierung gewissermaßen zwei Perspektiven an der Schnittstelle von sozialwissenschaftlicher und umweltbezogener Stadtforschung: Zum einen sensibilisiert sie aus der Perspektive der Gentrifizierungsdebatte für die »grüne« Dimension urbaner Aufwertung. Zum anderen bringt sie eine kritische Betrachtung der Stadtgrün-Diskussion aus stadtökologischer Perspektive ein, und dies in einer Zeit, in der Themen der grünen, klimaangepassten und nachhaltigen Stadtentwicklung immer zentraler werden. Dieser Beitrag beginnt mit einem kurzen Blick auf die Entwicklung der Debatte und gibt in einem nächsten Abschnitt einen Überblick über ihre wichtigsten Befunde, Thesen und Erkenntnisse. Darauffolgend wird diskutiert, welche Impulse die Forschung zur grünen Gentrifizierung für die Gentrifizierungsforschung generell sowie für die kritische Stadtforschung gibt. Abschließend wird das Thema als neue Herausforderung für die Diskussion einer nachhaltigen Stadtentwicklung, auch in Politik und Praxis, eingeordnet.

Haase, A., Schmidt, A. (2019). Grüne Freiräume in Ankunftsquartieren: Funktionen und Herausforderungen für ihre kooperative Entwicklung. UFZ Discussion Paper 4/2019. https://www.ufz.de/index.php?en=20939&ufzPublicationIdentifier=22145

Nach Darstellung des thematischen Nexus von Freiräumen, kooperativer Entwicklung und den Bedingungen in Ankunftsquartieren beschäftigt sich das Working Paper mit der Rolle und Funktionalität der Frei- und Grünräumen im Quartier. Dabei geht es ebenso um Fragen der Aneignung dieser Räume und die damit verbundenen In- und Exklusionen. Nicht zuletzt werden auch Ungerechtigkeiten im Zuge der (grünen) Aufwertung benachteiligter Quartiere angesprochen, welche zu steigenden Wohnkosten und zunehmender Verdrängung führen kann. Schließlich wird die Diskussion zu urbanen Frei- und Grünräumen in der strategischen Planung, der Politik und mit Bezug auf die Entwicklung der Stadtgesellschaft in den Blick genommen. Im dritten Teil geht es insbesondere um die sozialen Funktionen urbaner Frei- und Grünräume aber auch ihre Rolle als Ort der Bereitstellung urbaner Ökosystemleistungen. Dies wird in einem exemplarischen Exkurs zu urbanen Gemeinschaftsgärten vertieft. Im vierten Teil werden Zusammenhänge zwischen den spezifischen Bedingungen von Ankunftsquartieren und ihrer heterogenen, sich dynamisch verändernden Bevölkerungsstruktur und den Bedarfen an Frei- und Grünräumen in den Mittelpunkt gerückt. Im fünften Teil geht es um kooperative Ansätze der Freiraumentwicklung mit einem besonderen Fokus auf die spezifischen Bedingungen heterogener und/oder benachteiligter Quartiere, zu denen viele Ankunftsquartiere zählen. Zunächst wird der Wissensstand zu kooperativen Ansätzen „zwischen top-down und bottom-up“ skizziert. Danach werden Schritte und Formate solcher Ansätze beschrieben und deren Chancen und Risiken kritisch reflektiert. Abschließend werden Leerstellen und Wissenslücken identifiziert und daraus Fragen bzw. Bedarfe für die zukünftige Forschung formuliert.

Kurzfassung: Haase, A., Schmidt, A. (2019). Grüne Freiräume in heterogenen Quartieren sowie Chancen ihrer kooperativen Entwicklung: Wie sind diese Debatten bislang verknüpft und welche offenen Fragen gibt es? Blogbeitrag. https://www.esp-de.de/gruene-freiraeume-in-heterogenen-quartieren-sowie-chancen-ihrer-kooperativen-entwicklung-wie-sind-diese-debatten-bislang-verknuepft-und-welche-offenen-fragen-gibt-es/ (25.8.21)

Haase, D.; Kabisch, S.; Haase, A. et al. (2017): Greening cities to be socially inclusive? About the alleged paradox of society and ecology in cities. Habitat International 64: 41-48.

In diesem Artikel diskutieren die Autor*innen die sozialen Effekte von Begrünungsstrategien, wie z.B. neue Parks, Dachgärten und Baumpflanzungen, welche die Attraktivität von öffentlichen Räumen erhöhen sollen und zum Wohlbefinden beitragen sollen. Anhand konkreter Fallbeispiele untersuchen sie die Rolle von Begrünungsstrategien im Kontext von Stadterneuerung und Aufwertungsprozessen und weisen darauf hin, dass diese meist auf mittlere und höhere Einkommensgruppen abzielen und zu Ungunsten benachteiligter Bevölkerungsgruppen wirken können. Maßnahmen zur Begrünung sollten kritisch diskutiert werden und zukünftige Debatten zur sozial inklusiven Entwicklung von Stadtgrün sollten sich verstärkt mit möglichen Zielkonflikten zwischen sozialer und ökologischer Entwicklung befassen.

Umweltbundesamt (2015): Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum – Entwicklung von praxistauglichen Strategien und Maßnahmen zur Minderung sozial ungleich verteilter Umweltbelastungen. Umwelt & Gesundheit 01/2015. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltgerechtigkeit-im-staedtischen-raum

Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum“ wurden Grundlagen und Empfehlungen erarbeitet, um das Querschnittsthema Umweltgerechtigkeit im kommunalen Handeln zu implementieren. Der Bericht stellt die Projektbausteine anhand Expertisen und Fallstudien vor. Dabei werden Zugänge und Motivationen der Kommunalpolitik, die genutzten Daten und Indikatoren sowie Maßnahmen, Projekte und Instrumente untersucht. Abschließend werden sieben Handlungsfelder vorgestellt, darunter die Entwicklung von Grün- und Spielflächen, umweltfreundliche Mobilität und Luftreinhaltung sowie familien-, kinder-, jugend- und seniorenfreundliche Stadtteilentwicklung.

Hornberg, C.; Bolte, G.; Bunge, C. (Hg.)(2012): Umweltgerechtigkeit durch Chancengleichheit bei Umwelt und Gesundheit – Konzepte, Datenlage und Handlungsperspektiven. Bern: Huber; 2012. ISBN 9783456950495

Der Sammelband versucht einen integrierten, fach- und politikübergreifenden Einblick in die Probleme, aber auch Potenziale von Umweltgerechtigkeit zu geben. Er umfasst dabei theoretische Konzepte aus verschiedenen Disziplinen, empirische Daten und Analysen sowie Handlungsstrategien und konkrete Beispiele bereits implementierter Projekte und Programme. Der zentrale Ankerpunkt bildet stets die Verbesserung der Chancengleichheit bei Umwelt und Gesundheit. Die Autor*innen richten sich dabei sowohl an Wissenschaftler*innen als auch Praxis- und politisch-administrative Akteure.

Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)(2016): Umweltgerechtigkeit in der Sozialen Stadt. Gute Praxis an der Schnittstelle von Umwelt, Gesundheit und sozialer Lage. https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/staedtebaufoerderung/Forschungsprogramme/SozialeStadt/Projekte/Umweltgerechtigkeit/endbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2  

Der Bericht fasst zentrale Ergebnisse eines Forschungsvorhabens zur Umsetzung des Themas Umweltgerechtigkeit im Programm Soziale Stadt zusammen. Die Autor*innen untersuchen eingesetzte Ressourcen, beteiligte Akteure und deren Erfahrungen sowie der Stellenwert des Themas Umweltgerechtigkeit allgemein. Als Praxisbeispiel wird die Integrierte Berliner Umweltgerechtigkeitskonzeption vorgestellt, welche mit den Indikatoren Lärmbelastung, Luftschadstoffe, Grünflächenversorgung, Bioklimatische Belastung und Soziale Problematik, wie z.B. (Langzeit-)Arbeitslosigkeit und Kinderarmut, arbeitet. Abschließend werden Handlungsempfehlungen an Bund, Länder und Kommunen formuliert.

Bundesinstitut für Bau‐, Stadt‐ und Raumforschung (BBSR)(2017): Urbane Freiräume. Qualifizierung, Rückgewinnung und Sicherung urbaner Frei- und Grünräume. Endbericht (September 2017). https://www.hcu-hamburg.de/fileadmin/documents/Professoren_und_Mitarbeiter/Projektentwicklung__-management/Forschung/Endbericht_Urbane-Freiraeume_final_01-11-17_web.pdf

Der Bericht basiert auf einem Forschungsprojekt, das die kommunale Praxis der Freiraumentwicklung analysiert. Es untersucht die Rolle von Frei- und Grünräumen für die Umwelt- und Lebensqualität in Städten, wobei der Fokus wiederum auf dem Spannungsverhältnis zwischen baulicher Entwicklung und der Sicherung von Freiräumen in wachsenden Städten liegt. Das Projekt basiert auf einer Literaturanalyse, einer bundesweiten Online-Befragung kommunaler Akteure und der Untersuchung exemplarischer Fallstudien im gesamten Bundesgebiet. Auf dieser Grundlage erarbeiten die Autorinnen und Autoren Handlungsempfehlungen für die städtebauliche Praxis einer integrierten Bebauungs- und Freiraumentwicklung auf verschiedenen Ebenen.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)(2017): Weißbuch Stadtgrün. Grün in der Stadt – Für eine lebenswerte Zukunft. Berlin. https://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/weissbuch_stadtgruen_bf.pdf

Das Weißbuch Stadtgrün entstand in einem breiten Diskussionsprozess der entsprechenden Bundesressorts, Länder und Kommunen, sowie Verbänden, Vereinen, Stiftungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Es beinhaltet zehn konkrete Handlungsempfehlungen und eine Vielzahl konkreter Maßnahmen, wie der Bund Städte und Gemeinden dabei unterstützen kann, urbanes Grün durch eine integrierte und nachhaltige Stadtentwicklungspolitik zu stärken. Zu den Handlungsempfehlungen zählen u.a. die Qualifizierung und multifunktionale Gestaltung von Grünräumen, die Begrünung von Bauwerken sowie die sozial verträgliche und gesundheitsförderliche Entwicklung von Stadtgrün und deren integrierte Planung.

Sondermann, Martin: Planungskulturen kooperativer Stadtgrünentwicklung. Hannover, 2017. https://www.baufachinformation.de/literatur.jsp?dis=2017129006437

In seiner Dissertation untersucht Martin Sondermann die Umsetzung des Ideals kooperativer Stadtgrünentwicklung anhand von Fallbeispielen in Düsseldorf und Hannover. Er deutet die jeweiligen Spezifika in der Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher und politisch-administrativer Akteure als Ausdruck unterschiedlicher lokaler Planungskulturen. Der Autor stellt in den beiden Städten eine „Kultur des Miteinander“ fest, welche sich durch Lern-, Anpassungs- und Annäherungsprozesse herausgebildet hat und sich in konstruktiven Haltungen, gemeinsamen Orientierungen, gegenseitigem Verständnis und lebendigen Traditionen zeigt.